ADDIATOR Schriftzug alt
b Juli 2017

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches:

ADDIATOR nach dem Zweiten Weltkrieg

Carl Kübler war krank und zog sich also aus der Firma zurück. Seine Tochter Margot übernahm die Firma, während der Sohn Hans-Wolfgang mit einem Teil der geretteten Werkzeuge außerhalb Deutschlands versuchte, eine eigene Existens aufzubauen.

Das Material für die Rechner war schwer zu bekommen. Tauschwirtschaft war angesagt, Blech gegen Rechner! So wurde alles verarbeitet, was die richtige Materialstärke hatte: Eisenblech mit dünner aufgewalzter Messingschicht, Aluminium und sogar Zinkblech. Frau Kübler klapperte alle bisherigen Lieferanten ab und hatte auch immer etwas Erfolg. So konnte man allmählich wieder Rechner von ADDIATOR liefern. 

Um die Auslieferung in den Westen zu vereinfachen baute man 1949 in Bad Harzburg im Harz eine Zweigstelle auf. Es wurde ein Lager angemietet und dort deponierte man auch einen Teil der Produktion. Von hier aus erfolgten Lieferungen in den Westen und in das Ausland; auch die westlichen Vertreter holten hier ihre Ware ab. Die Leitung übernahm der inzwischen wieder in Berlin aufgetauchte Bruder Hans-Wolfgang Kübler. 

Eigentlich hatte er die ganze Firma führen wollen, schließlich war er ja der studierte Fachmann und auch älter als seine Schwester. Aber inzwischen hatte Margot die Leitung übernommen und er hatte nach dem Kriege alle im Stich gelassen. So einigte man sich darauf, dass er die Zweigstelle in Bad Harzburg leitete; nicht sehr aufregend, aber ausbaufähig. 
Doch Hans-Wolfgang konnte sich damit auf die Dauer nicht zufrieden geben. Er benannte bereits Anfang 1950 die Niederlassung kurzerhand in ADDIMULT um und wurde selbständig. 

 
MAXIMATOR

Etwa zur Währungsreform, die in Berlin ja 1 Jahr später als im Westen kam, wollte sich ein ADDIATOR-Vertreter, Herr Aschenbrenner, selbständig machen. Seine Idee: Aufbau einer eigenen Organisation von Vertretern, die die Rechner direkt bei den kleinen Werstätten und Händlern vertrieben. Hierzu wollte er Rechner nehmen, die es nicht im Laden zu kaufen gab und die etwas Besonderes waren. So wurden extra für ihn die großen Rechner auch unter dem Namen MAXIMATOR hergestellt, mit stabilem gusseisernem Sockel und in der Regel kombiniert mit dem Tabellenbuch MULTI-DIVI. So konnte er die Hanndwerker in die Lage versetzten, ohne viel Geld alle Rechnungsarten schnell, billig und zuverlässig durchzuführen. Und den Rechenkurs lieferte er gratis dazu.

Erst im Laufe der 60er Jahre wurde diese Organisation aufgelöst. Vielleicht hatte Herr Aschenbrenner das Pensionsalter erreicht oder es lohnte nicht mehr der mühsame Vertreterberuf für nur ein Produkt, schwer zu sagen!

 
Das Wirtschaftwunder in den 50er Jahren

Schon bald konnte man wieder uneingeschränkt exportieren. Besonders gut entwickelten sich die Lieferungen an Harrison Home Products in den USA. Die dortige groß angelegte Reklame brachte Ende der 50er Jahre einen Boom. Man musste deshalb monatelang sogar in 3 Schichten rund um die Uhr produzieren. Auf Drängen der Partner in den USA, denen Berlin zu unsicher war, verlagerte man ab 1958 die Produktion schrittweise nach Wolfach im Schwarzwald.
Dort mietete man 1958 zunächst ein Industriegebäude, baute dann aber eine eigene kleine Fabrik im östlichen Ortsteil Wolfachs mit dem klingenden Namen "Schmelzegrün". Allmählich wurde die Produktion ganz nach Wolfach verlegt, bis die Fabrik in Berlin Ende 1962 ganz aufgegeben wurde. Ende der 50er Jahre produzierte man also hauptsächlich für Harrison. Woche um Woche wurde geliefert und bezahlt, wobei der Kreditrahmen aufgrund des großen Vertrauens allmählich gesteigert wurde. 

Natürlich kam auch allmählich Konkurrenz aus Fernost auf. So führte der Preisdruck zu einfacheren Maschinen aus Weißblech (verzinntes Eisen), mit Farbe bedruckt. Die Produktion wurde enfalls vereinfacht. Kleinigkeiten im Ablauf brachten immer wieder eine Verbilligung um einen Pfennig. Bei der ungeheuren Auflage lag der Preis ab Fabrik ohnehin unter DM 2,-.

Anfang 1959 stellte der Hauptabnehmer Harrison in den USA seine Bestellungen ohne Kommentar zunächst ganz ein. 
Erst allmählich kam wieder ein kleiner Export in die USA in Gang. Mehr als 10% des früheren Umfangs ist es aber wohl kaum gewesen! 

Anfang der 50er Jahre kam von einem anderen Großhändler in den USA eine Anfrage nach einem Spezialrechner. Aus Kalifornien schrieb ein Serge Giritsky, ob man vielleicht auch etwas für die amerikanischen Längeneinheiten habe. 
Auch wir benutzen täglich unterschiedliche Zahlensysteme, die nicht-dezimal sind. Man denke nur an die Zeit, die Winkel oder einfach an das Dutzend Eier auf dem Markt. Aber die Amis leisten sich da einen besonderen Luxus: Ein Feet setzt sich aus 12 Inch zusammen und die Inches werden unterteilt in Fractions, also Achtel, Sechzehntel oder gar Zweiunddreißigstel! 

Addieren Sie mal  3 13/16 + 1 7/8   im Kopf oder mit dem Taschenrechner! 

Also konstruierte man das Modell FRACTOMATOR auf Basis des großen STANDARD-Modells.
Es war in den USA recht beliebt und wurde bis Anfang der 70er Jahre produziert.

 
ADDIATOR in den 60er bis 70er Jahren

Der Umzug nach Wolfach war Ende 1962 abgeschlossen. Die Beinahe-Pleite mit Harrison war überwunden und man suchte neue Märkte. So eignete sich der durchkonstruierte Rechner, der ursprünglich ARITHMA hieß und mit Negativ-Saldo als UNIVERSAL verkauft wurde, hervorragend für Werbezwecke. Statt geätztem Messing oder Aluminium hatte man bedrucktes Weißblech genommen und ihn jetzt UNIVERSAL-S, PICCOLO oder PICCOLO-S genannt. Durch das Druckverfahren war es in einfacher Weise möglich, die Beschriftung schnell und kostengünstig zu ändern. 

OCTADAT
Gleichzeitig kamen neue Ideen auf, die aus der Computertechnik entstanden. Mit dem OCTADAT brachte man also einen octal rechnenden Zahlenschieber in der Größe des ARITHMA heraus, der von Programmierern entsprechender Computer mit Basis 8 eingesetzt wurde. 

Für die Basis 16 konstruierte man allerdings auf Wunsch von IBM einen neuen Rechnertyp, der etwas breiter und länger war. Damit war also zu den 4 bisherigen Größen die fünfte hinzugekommen. Der HEXADAT wurde ein guter Erfolg, da er von allen Programmierern von Großrechenanlagen für Addition und Subtraktion benutzt wurde. Mit diesen Rechnern wurden 1967 die letzten Schutzrechte der Firma ADDIATOR für mechanische Rechner angemeldet.
 
 
 
 

OCTADAT
Material: Messing
 

Anfang der 70er Jahre kamen die ersten elektronischen Taschenrechner nach Deutschland. Der Preis war zu der Zeit noch sehr hoch und zunächst mochte niemand glauben, dass sie einmal eine echte Konkurrenz werden könnten. Doch ADDIATOR versuchte schnellstens am Ball zu bleiben. Man importierte die Elektronenrechner direkt aus Fernost und versuchte sich sogar in der Assemblierung der Geräte, was man aber schnell wieder aufgab. Die Geräte erhielten einen ADDIATOR-Aufkleber und eine deutsche Bedienungsanleitung und hatten durchaus einen ansehnlichen Erfolg. Doch reich konnte man dadurch nicht werden, da die Preise laufend fielen.
Aus den USA kamen immer wieder Bestellungen für den Rechner FRACTOMATOR. Leider verschwand aber der sehr komplexe Werkzeugsatz für diesen Rechner Mitte der 70er Jahre. Eine Neubeschaffung der Stanzwerkzeuge erschien zu teuer, zumal der Absatz dieser mechanischen Rechner in die USA fraglich wurde. So entschloss man sich, die Werkzeuge für die Rechner ARITHMA und HEXADAT so abzuwandeln, dass man damit neue Zahlenschieber für die amerikanischen Längeneinheiten produzieren konnte. Die neuen Rechner ADDFEET bzw. SIZEMATIC für Feet, Inch und Fractions (Basen 10, 12, 8 bzw. 16) waren hauptsächlich für den Vertreter in Californien, Serge Giritsky bestimmt. 
Und kaum merklich kam auch das Aus für die mechanischen Rechner. Der Absatz stagmierte, da half auch eine intensive Werbung nicht mehr. Und immerhin muss man auch bedenken, dass Frau Schaffhirt-Kübler und ihr Mann bald die Pensionsgrenze erreicht hatten. So verkaufte man Ende 1974 das Fabrikgelände in Wolfach-Schmelzegrün. Die Werkzeuge, Materialien und Maschinen wurden in der "Metallindustrie Gutach" untergebracht. 
 
ADDIATOR von 1975 bis zum Ende

Nun sollte man meinen, das Ende ist erreicht, doch weit gefehlt! Offiziell wurde zwar die Firma ADDIATOR 1975 aus dem Firmenregister gelöscht, aber im Telefonbuch erschien sie weiterhin für viele Jahre.

In der Metallindustrie Gutach wurde 1975 ein Büro eingerichtet, von dem aus die vorhandenen Rechner verkauft wurden. Eine Produktion erfolgte nur noch nach Bedarf und auch nur noch ADDFEET und SIZEMATIC für ALEXDRAFT, die Firma von Serge Giritsky in Kalifonien.

Die Produktion war jedesmal ein Kraftakt: Wie viele Exemplare wurden bestellt? Kamen noch Folgeaufträge? Welche Firma konnte noch die Bleche Ätzen? War der Ätzvorgang gut verlaufen oder musste reklamiert werden? Hielt nach der Umstellung des Verfahrens die Farbe oder scheuerte sie zu schnell ab? Hatte sie die richtige Farbe? War die Stanzung genau genug ausgeführt? War die Presse gut justiert? War die Frau, die in Heimarbeit die Rechner montierte, zur festgesetzten Zeit verfügbar? 

All diese Probleme ergaben sich daraus, dass man nur noch gelegentlich produzierte und dabei mehr als sonst auf fremde Hilfe angewiesen war. Die Aufträge lagen bei einigen Tausend, also Kleinserien, die sich kaum lohnten, für die Ätzfirma, für die Stanzerei und den Versand.

Und im Jahre 1989/90 wurden dann endgültig die letzten Rechner des amerikanischen Systems gestanzt und montiert. Die letzte wesentliche Lieferung erfolgte 1991 in die USA mit vielleicht 500 Rechnern.

Die ADDIATOR-Modelle
 
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